Dass die Berliner Theaterpädagogin Kristina Stang vor allem mit Jugendlichen arbeitet, hat sich im Laufe ihres Studiums so ergeben. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim und begann dann ihre erste Stelle am Kinder- und Jugendtheater an der Parkaue in Berlin. Nach sechs Jahren wechselte sie ans Deutsche Theater, wo sie wieder als Theaterpädagogin und Dramaturgin für das Jugendprogramm arbeitete. Nach weiteren vier Jahren macht sie sich schließlich in der Berliner Theaterszene selbständig. Heute arbeitet sie mit Jugendclubs verschiedener Theater, macht Schulworkshops, Produktionsdramaturgien, Ferienprogramme und weitere Projekte.
Für unsere diesjährige Printausgabe mit dem Fokus „Berliner Theaterleben“ hat Kristina mit Jugendlichen aus ganz Berlin über deren Theatererfahrungen gesprochen. Jetzt erzählt sie mir über Zoom von ihrem eigenen Weg ins Jugendtheater und ihren Erfahrungen.
„Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass ich anders arbeiten würde, wenn es in einer anderen Stadt mit einem anderen Jugendclub wäre. Für mich zählt eigentlich immer die jeweilige Gruppe, die ich an einem Theater oder an einer Schule vorfinde.“ Ihr gesamtes Berufsleben hat sie in der Hauptstadt verbracht. Was Berlin für sie spannend und besonders mache, sei die kollegiale Ebene und dass man da gut vernetzt sei. So bekomme man viel mit, welche anderen Projekte es noch gibt. „Das macht es für mich total spannend auf der konzeptionellen Ebene.“
Kristina erlebt die Berliner Theaterszene nicht als „Gefeilsche“ um Projektgelder und Jobs, sondern als „positives Wahrnehmen von Unterschiedlichkeit“. „Ich empfinde das als sehr konkurrenzfreien Raum, wo man einfach daran interessiert ist, was die anderen machen.“ So holt sie sich auch Inspiration aus der Arbeit anderer Jugendclubs. Das bringe auch eine Form von Weiterbildung, weil man eben so unterschiedliche Sachen erlebe.
Das Theater spielte in Kristinas Leben schon früh eine Rolle, schon in ihrer Jugend war sie sehr theaterinteressiert. Ein großes Angebot gab es in ihrer Heimat jedoch nicht. Im Studium merkte sie dann, dass man nicht unbedingt auf der Bühne stehen muss, um Theater zu machen. Über Praktika und Assistenzen fand sie so einen Weg, ihre Theaterbegeisterung umzusetzen: „So, dass ich quasi selbst anleitend bin und hinter der Bühne arbeite.“
Gerade an der Arbeit mit Jugendlichen begeistert Kristina, dass sie sich selbst, ihre Umwelt und ihre Anliegen oft sehr ernst nehmen. „Sie haben nicht so einen erwachsenen Habitus von ,das ist jetzt vielleicht albern‘ oder ,ich finde das und das wichtig, aber ich kann ja eh nichts machen‘.“ Ihr Eindruck ist, dass Jugendliche sehr für ihre Themen kämpfen. „Je älter man wird, desto mehr stumpft man vielleicht ein bisschen ab in seinem eigenen Erfahren und da kann man von Jugendlichen total viel lernen.“
Dass Berlin so eine vielfältige Theaterszene hat, macht es auch nicht immer einfach. Ein Phänomen sei die Unübersichtlichkeit und die betreffe sowohl das Publikum als auch die Jugendlichen. Da gehe erstmal ein zu großer Möglichkeitsraum auf. Insgesamt sei Berlin wie eine Ansammlung mehrerer kleiner Städte. „Man bewegt sich in einem bestimmten Radius und da ist in meiner Empfindung bei den Jüngeren nicht das riesige Bedürfnis da, nachzusehen, was es da noch so alles gibt. Man rutscht da irgendwie rein und dann ist es halt genau das oder das Theater.“
Natürlich gebe es auch vor allem ältere Jugendliche, die mit der Aussicht einer Karriere im Theater in den Jugendclub kommen. Je älter die Jugendlichen seien, umso entschiedener wollten sie etwas mit Theater machen. Doch im Großen und Ganzen sei der Tenor ein anderer: „Die Jugendlichen, mit denen ich gesprochen habe, argumentieren sehr im Hier und Jetzt.“ Ihnen gehe es darum, sich frei zu fühlen und um das Zusammensein. Diesen sozialen und freien Raum könne ihnen ein Jugendclub bieten und außerdem sei das ein Ort, an dem man nicht bewertet werde. „Man startet mit einem leeren Raum und dann wächst etwas aus der Gemeinsamkeit heraus. Ich glaube, das ist das, was den Freiheitsbegriff ausmacht.“
Eins erhofft sich Kristina für die Zukunft: „Was ich mir für die Jugendtheaterszene, gar nicht so berlinspezifisch, wünsche, sind mehr Austauschmöglichkeiten für die Jugendlichen.“ Es gebe viele Orte, an denen Theater stattfindet, zum Beispiel im Kontext Schule oder im Theaterfreizeitbereich. Da solle es mehr Begegnungsmöglichkeiten für die Jugendlichen geben. Ein Austausch untereinander könne ein großer Schritt sein, um junge Künstler*innenpersönlichkeiten zu fördern. „Theater hat ein riesiges Potenzial, Jugendliche zu begeistern und zu empowern.“
Das nächste Projekt, das Kristina vorbereitet, ist die Inszenierung des Jugendromans „Wie man eine Raumkapsel verlässt“ von Alison McGhee mit 11 Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren am Deutschen Theater. Wie jedes Jahr, wenn auf der Leipziger Buchmesse die Nominierungen zum Deutschen Jugendliteraturpreis bekannt gegeben werden, sucht sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Sofie Hüsler und den Jugendlichen ein Buch von der Liste aus, mit dem sie sich dann ein Jahr beschäftigen. Die Premiere findet am 14. September in der Box am Deutschen Theater statt.
https://www.deutschestheater.de/programm/a-z/wie-man-eine-raumkapsel-verlaesst/