Wie bist du dazu gekommen, Opernsängerin werden zu wollen?
Ich bin auf dem Land in Schweden aufgewachsen. Für mich war es normal, in der Kirche zu singen. Eigentlich war ich aber eine eher schüchterne Person und ich habe mich nicht getraut, solistisch zu singen, dabei komme ich aus einer Familie, die die Oper sehr schätzt. In einer „Carmen“-Produktion, die ich mit dem Kinderchor gemacht habe, habe ich realisiert: Wow, das ist unglaublich! Ich konnte die Sängerinnen imitieren und habe verstanden, dass klassische Musik zu mir passt. Meine Lehrerin hat damals schon zu mir gesagt: „Oh, du bist eine Koloratursängerin!“ Heute bin ich ein lyrischer Sopran mit Koloraturen.
Du hast an der Royal Danish Academy of Music in Kopenhagen und der Universität Mozarteum Salzburg studiert. Wie war dein Weg nach dem Studium in das Frankfurter Opernstudio?
Ich habe Bernd Loebe [Intendant der Oper Frankfurt; Anmerkung d. Redaktion] geschrieben und gefragt, ob er mir ein Feedback zu meinen Aufnahmen geben kann. Dann habe ich eine Einladung zum Vorsingen bekommen und nach dem Vorsingen habe ich einen Platz im Studio bekommen. Ich hätte auch direkt für das Ensemble vorsingen können, aber damals war ich 23 Jahre alt und da meinten sie, in dem Alter sei es gut, ins Opernstudio zu gehen.
In welchem Alter kommen Sänger:innen normalerweise in ein Ensemble?
Viele nach dreißig, würde ich sagen. Ich weiß, dass es in Kopenhagen schon für das Studium ein Alterslimit gibt, da muss man eigentlich 22 sein, um das Bachelorstudium machen zu können, damals war ich erst 18. Jetzt bin ich 25, nicht mehr super jung, jetzt wird es ernst. [lacht]
Was sind die Vorteile, die Ausbildung im Opernstudio, in deinem Fall in Frankfurt, fortzusetzen?
Im Opernstudio bekommen wir kleinere Rollen, das finde ich fantastisch, denn so lernt man zu Beginn die Opernumgebung kennen und kann die Kolleg:innen beobachten, die größere Rollen haben. In der echten, professionellen Opernwelt ist es viel härter: Man muss stark sein und an sich selber glauben. Solange man noch im Studium ist, hat man immer seine Lehrer:innen und Pianist:innen dabei.
Was ist dann der größte Unterschied zu deinem Studium vorher?
Der größte Unterschied ist im Kopf, weil man sich im Studium in einer sicheren Umgebung befindet. Mein Fokus war auch da natürlich, professionell zu sein. Aber in Salzburg war diese „reale“ Oper nicht Teil des Studiums. Das ist hier anders, hier sind wir an einem Theater. Und wir haben all diese unglaublichen Dinge, die Kostüme, die Möglichkeit, auf dieser großen Bühne zu sein und für so ein großes Publikum zu singen.
Hat dir dein Platz im Opernstudio den Druck genommen, an Vorsingen teilzunehmen?
Ich bekam relativ früh, als ich im Studio anfing, die Nachricht, dass ich einen Platz im Ensemble bekomme, deshalb habe ich den Druck nicht. Ich hatte sehr viel Glück.
Fühlst du dich eher als Einzelkünstlerin oder gibt es eine Art Community-Gefühl unter Sänger:innen?
Das ist es, was ich am Opernhaus mag, denn man lernt die Leute wirklich kennen und man gewinnt Freunde. Es ist eine sehr gute Stimmung. Es ist nicht wirklich wie ein Wettbewerb, und ich möchte mich auch gar nicht mit anderen messen, weil man in diesem Bereich gar nicht konkurrieren kann. Wenn man Erfolg haben will, muss man immer auf sein Inneres schauen.
Wie viel bringst du von dir selber in eine Rolle mit? Pamina aus Mozarts „Zauberflöte“, die du ja schon am Salzburger Mozarteum und jetzt auch wieder in Frankfurt gesungen hast, ist ja beispielsweise sehr bekannt und so vielleicht auch schon festgelegter in der Art und Weise, wie sie gespielt und gesungen werden soll.
Es kommt darauf an. Manchmal versetzt man sich mehr gedanklich in eine Rolle und manchmal baut man den Charakter mehr von der Körpersprache aus auf. Ich habe in diesem Stanislawski-Buch [„Stanislavski on Opera“; Anmerkung d. Redaktion] gelesen, dass man immer etwas von sich selbst mit in eine Rolle bringen soll. Das kann auch zu einem Konflikt führen, denn Pamina ist zum Beispiel eine Rolle, die mir ziemlich nahe ist und ich finde es manchmal schwieriger, einen Charakter zu spielen, der einem selbst näher ist, weil es nicht persönlich sein sollte.
Nein?
Es sollte persönlich sein, aber nicht privat. Und es kann sehr schnell privat werden, wenn man denkt, „Oh, ich spiele einfach mich selbst.“ Da muss es noch eine andere Dimension geben.
Wie ist deine Verbindung zur Bühne? Welche Emotionen verbindest du mit ihr, wenn du dort singst?
Im Moment bin ich immer noch in diesem Prozess, zu lernen, mich in einen Charakter hineinzuversetzen. Sobald man die Bühne betritt, muss man sich selbst und sein Ego vergessen, einfach in diesem Universum und auch sensibel sein. Wir üben die Dinge oft auf eine bestimmte Art und Weise, als ob wir ein wenig wie Roboter wären. Aber wenn man auf der Bühne steht, gibt es immer Überraschungen, also muss man unvoreingenommen sein und die Situation annehmen können.
Wie bringst du Technik und Emotion im Gesang zusammen?
Man muss ein Gefühl für die Figuren bekommen: Wie ist die Situation der Figuren? Was fühlen sie? Und dann trenne ich immer Text und Musik, wobei die Musik natürlich das Wichtigste sein sollte. Also lerne und analysiere ich den Text, lerne die Musik und dann setze ich beides zusammen. So habe ich im Kopf schon die „Hauptgefühle“ herausgearbeitet und dann schaue ich auf die Details dazwischen. Oft gibt es eine technische Sache und man kann die Emotion darin fühlen und dann ist es richtig. Wenn man eine Stelle nicht mit dem Gefühl verbinden kann, dann stimmt vielleicht etwas nicht.
Wie viel Disziplin verlangt die Operngesangsausbildung von dir?
Sehr viel. Wenn man kreativ arbeitet, kann man leicht in eine, ich würde nicht sagen „faule“ Stimmung geraten, aber man hat niemanden, der einem sagt, „du solltest dies und das tun“. Manchmal ist es schwer, aber das ist es ja: Du muss immer einen guten Zugang zum Üben finden. Es ist also nicht nur die Arbeit selbst, sondern auch der Zugang zur Arbeit, der eine Rolle spielt.
Was verlangt dir das Singen physisch ab? Wie lange übst du und wie übst du?
Ich singe vielleicht zwei oder drei Stunden pro Tag, oft auch mehr, aber das ist perfekt, um die Stimme zu schonen. Man kann viel tun, ohne zu Singen, sich beispielsweise die Partitur anschauen. Und für mich ist es sehr wichtig, mir meine Aufnahmen und den Unterricht nochmal anzuhören. Beim Anhören merkt man, dass es so viele kleine Details gibt. Und wenn man Probleme hat, dann sind es oft Spannungen. Man versucht also immer, Spannungen zu lösen, die man im Körper, im Geist, im Fokus hat. Manchmal hat man eine Arie und alles passt einfach, aber das passiert eher selten. Und vielleicht singt man einmal perfekt und dann drei Monate später hat man eine Menge technischer Probleme. Das ändert sich oft und ist viel Arbeit. Das Ziel ist also, entspannt zu sein und sicher zu sein, so kann man die wahre Farbe in der eigenen Stimme finden.
Kannst du für dich persönlich physische und mentale Grenzen setzen? Überwältigt dich das alles manchmal?
Das ist es ja, ich werde eigentlich nie überwältigt. [lacht] Natürlich hat man diese Gedanken, weil es manchmal wirklich schwer und ein hartes Umfeld ist. Die Leute sind sehr nett, aber es lastet eine Menge Druck auf dir. Und manchmal denkt man: „Oh, warum mache ich das eigentlich?“ Aber für mich war immer klar, dass ich das machen will.
Gibt es frustrierende Momente, und wie gehst du mit ihnen um?
Die ganze Zeit. [lacht] Ich meine, manchmal gibt es Verständnisprobleme im Unterricht und in den Proben. Und wenn man sich allgemein nicht wohl fühlt, wirkt sich das sehr auf die Stimme aus. Man muss also die ganze Zeit im Gleichgewicht sein, mit allem, und das ist eine Herausforderung. Ich war oft frustriert wegen meiner Stimme, besonders in der tieferen Lage und darin, die Balance zwischen der leichteren Kopfstimme und der „Voce di petto“, der Bruststimme, zu finden.
Bist du manchmal im Konflikt mit bestimmten Begriffen im Libretto?
Ich meine, sogar in der „Zauberflöte“ gibt es eine Menge Begriffe, die heute verpönt sind. An einer Stelle singe ich „der böse Mann“ statt „der böse Mohr“. Das haben wir also geändert. Ich muss sagen, dass ich mich selbst nicht so sehr aufrege, weil es eine andere Zeit war. Wir müssen diese Opern immer noch spielen, um zu zeigen, wie es war und um daraus zu lernen.
Was kann uns Oper heute erzählen?
Die Welt verändert sich, aber wir sind immer noch Menschen. Wir kämpfen immer noch mit den gleichen Problemen: Krieg, Liebe, Tod…und diese Themen sind in Opern immer präsent. In „Rigoletto” zum Beispiel geht es um Mord. Verdi stellt darin die Rolle der Gilda in einer Welt dar, in der es nur Männer gibt, die sie kontrollieren. Das ist heute immer noch ein Thema, auch Gewalt zuhause, und dass man sich seine:n Partner:in nicht selbst aussuchen kann, oder Religion, da gibt es eine Menge Symbolik. Man kann immer wieder und wieder über diese Themen diskutieren und sich und seine Geschichte interpretiert sehen.