Schon von außen ist am Petersplatz in Wien das dumpfe Dröhnen einer Party zu hören. Es geht eine Treppe hinunter, wo die laute Musik und die Diskokugel für Feierstimmung sorgen. Und damit ist man schon mittendrin auf der Party des Hauses Capulet. An der Bar oder in der Menge an anderen Besucher:innen der Vorstellung begegnet man immer wieder den Figuren aus dem Shakespeare-Drama. Eingekleidet sind sie mit verzierten Masken und moderner Kleidung, die gleichzeitig an einen leichten Verschnitt eines klassischen Shakespeare-Gewands erinnern. Auch Romeo und Julia haben sich bereits unter die Zuschauenden und Partygäste gemischt. Zugleich wird klar, dass wir uns historisch in der Gegenwart befinden. Julia und Nurse sind live auf Instagram und machen Fotos mit ihrem Smartphone. Die Anwesenden sind wortwörtlich live mit dabei im Shakespeares-Drama „Romeo <3 Julia“ des Theaters am Werk.
Eine vielerzählte Geschichte
„Romeo und Julia“ ist die vielleicht berühmteste Liebesgeschichte, die auf Theaterbühnen erzählt wird. Die Familien der titelgebenden Figuren sind schon über Jahrzehnte verfeindet. Als sich Romeo auf den Maskenball von Julias Familie einschleicht und unwissentlich (den Masken geschuldet) Julia kennenlernt und sich in sie verliebt, beginnt die zum Scheitern verurteilte Geschichte. Die Eltern sowie Romeos Freund Mercutio und Julias Nurse reden kontinuierlich auf die beiden ein, sich voneinander fernzuhalten. Zwischen tödlichen Kämpfen der Verfeindeten und heimlichen Treffen von Romeo und Julia kristallisiert sich eines heraus: die beiden wollen um jeden Preis zusammen sein.
Nach der großen Party im Foyer des Theaters und der ersten Szene, in der sich Romeo und Julia begegnen und unsterblich verlieben, gehen zwei Türen auf. Im grellen Neonlicht über jeweils einer Tür steht ‚Romeo‘ oder ‚Julia‘. Das Publikum wird aufgeteilt, um die Geschichte entweder aus Julias oder Romeos Perspektive zu verfolgen. Vielleicht könnte man hier der sogenannten „Fomo“ erliegen, der „fear of missing out”. Doch Regisseurin Cosmea Spelleken hat spielerisch die Zwischenszenen, in denen Julia beispielsweise bei Romeo ist, mit vorgefilmten Filmsequenzen ergänzt. Hier ist technisch und dramaturgisch alles fein und gekonnt abgestimmt, sodass ein kohärenter und vielfältiger Abend entsteht.
In die Dms sliden
Die Inszenierung trifft den Kern der heutigen Dating-Kultur, indem sich die Annäherung Romeos und Julias über die Instagram Direktmessages abspielt. Das Publikum fiebert mit (wobei der Handybildschirm live auf einer Leinwand übertragen wird), ob Romeo ihre Follow-Anfrage auf Instagram annimmt und ob und wie er antwortet. Man ist hautnah am Geschehen: Manchmal sind Schauspielende dem Publikum so nahe, man möchte die Hand ausstrecken und Julia die Tränen wegwischen. Es ist zu bestaunen, wie emotional mitreißend Luz Kaufmann und Liam Noori in den Rollen der Julia und des Romeo agieren. Die markerschütternden Schreie der Schauspielenden am Ende der Inszenierung markieren den schmerzhaften Höhepunkt des Stücks.
Die Aufführung ist ein Erlebnis für jede:n die/der schon immer Mal als passiv teilnehmende:r Schaulustige ein Shakespeare-Drama miterleben wollte, anstatt als bloße Zuschauer:in. Derweil ist es auch nach dem Stück noch möglich ein bisschen in der Shakespeare-Welt zu verweilen. Dazu folgt man einfach Romeo, Julia und Nurse auf Instagram (@a.fortunes.fool @fraeulein.j.c @iamsaschanurse). Letztendlich findet „Romeo <3 Julia” seinen eigenen, ganz originellen Weg, einen Shakespeare-Klassiker modern zugänglich zu machen. Spelleken hat es geschafft, das Stück in die Welt der Jugendkultur zu übersetzen.
Lucie Mohme wurde 2000 in Buchholz i. d. Nordheide geboren. Sie schloss 2023 ein Studium der Englischen Philologie und Philosophie in Göttingen ab. Derweil sammelte sie ein Jahr Erfahrung in der Pressearbeit am Deutschen Theater Göttingen, arbeitete zwei Jahre in der Redaktion des studentischen Online-Feuilleton „Litlog“ und war freie Reporterin beim StadtRadio Göttingen. Im Juni 2023 absolvierte sie ein Praktikum bei „Die Deutsche Bühne“. Derzeit studiert sie in Wien.
Lucie Mohme wurde 2000 in Buchholz i. d. Nordheide geboren. Sie schloss 2023 ein Studium der Englischen Philologie und Philosophie in Göttingen ab. Derweil sammelte sie ein Jahr Erfahrung in der Pressearbeit am Deutschen Theater Göttingen, arbeitete zwei Jahre in der Redaktion des studentischen Online-Feuilleton „Litlog“ und war freie Reporterin beim StadtRadio Göttingen. Im Juni 2023 absolvierte sie ein Praktikum bei „Die Deutsche Bühne“. Derzeit studiert sie in Wien.