»Prinz Friedrich von Homburg« von Jette Steckel, Regie: Jette Steckel

Kritik

„Prinz Friedrich von Homburg“ an der Schaubühne Berlin

Die Regisseurin Jette Steckel inszeniert an der Schaubühne in Berlin Heinrich von Kleists Kriegsdrama „Prinz Friedrich von Homburg“. Sie fasst die Schrecken des Krieges in eindrückliche, manchmal jedoch fast kitschige Bilder. Aus Kleists träumendem Helden ist hier ein Traumatisierter geworden, ein Happy End unmöglich. Premiere: 14.11.2023

Foto oben: Armin Smailovic
Beitrag von: am 15.11.2023

Tanz mir das Lied vom Tod

 

Sie stehen an der Rampe vor einem Wall aus schwarzen Sandsäcken und legen ihre Kampfmontur an. Tarnjacken und -hosen, Stiefel, schusssichere Westen, Sturmhauben, Helme. Aus Individuen werden Uniformierte, aus Zivilisten Kämpfer:innen. Jette Steckel beginnt ihre Inszenierung von Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ mit dem Ende des Friedens, dem Beginn des Kriegszustands. Dieser Abend ist von Anfang an düster. So düster wie der Blick in die Welt da draußen. Wo Kleists Titelheld im Original träumt, schlafwandelt und sich einen Lorbeerkranz bindet, ist in dieser Welt kein Platz für Träume mehr. Renato Schuchs Homburg steht vielmehr gleich zu Beginn Auge in Auge dem „Feind“ gegenüber, beide richten die Waffen auf den jeweils anderen, verharren überfordert und ratlos. Bis Homburg schießt. Der Todeskampf des anderen ist ein grausamer, Homburg von da an ein Traumatisierter.

Von den Anweisungen des Kurfürsten, wie die folgende Schlacht anzugehen sei, bekommt er nichts mit. Und so wartet er nicht auf den entscheidenden Befehl, sondern führt sein Regiment eigenmächtig in die Schlacht. Siegreich zwar, aber eben entgegen des Befehls und der militärischen Disziplin. Die Folge: sein Todesurteil. Bei Kleist erkennt Homburg schließlich seine Schuld, wird nach einigem Hin und Her begnadigt. Sein Fehlverhalten, nichts als „ein Traum“.

Jette Steckel reichert das Drama mit Briefen und Texten Kleists an, die immer wieder um die Frage kreisen, wie – und ob – Menschsein und Soldatsein in Einklang zu bringen sind. Wieviel selber denken ist erlaubt? Wieviel Gehorsam nötig? Wie kann ein Mensch einen Krieg überstehen? Die Antwort fällt ziemlich negativ aus, man sieht in diesem Homburg einen, der am Erlebten zerbricht. Ohne direkte Aktualisierungen verwandelt Steckel diesen über 200 Jahre alten Text in ein sehr direktes Antikriegsdrama. Da liegen die Schauspieler:innen in Reih und Glied auf dem Wall, richten ihre Waffen direkt ins Publikum. Dann wieder rollen die Toten einer nach dem anderen den Abhang herunter, das Gefecht ist ein einziges großes Sterben. In den kurzen Gefechtspausen Dialoge wie diese: „Was waren Sie eigentlich vorm Militär?“ „Glücklich, Herr General.“

Es ist ein geschichtspessimistischer Abend, der auch Kleists Gedanken zum Zustand der Welt an sich einbaut: „Zuweilen, wenn ich die Bibliotheken ansehe, wo in prächtigen Sälen und in prächtigen Bänden die Werke Rousseaus, Helvetius, Voltaires stehen, so denke ich, was haben sie genutzt?“, schrieb Kleist in einem Brief, den Steckel aufgreift. „Hat ein einziges seinen Zweck erreicht? Haben sie das Rad aufhalten können, das unaufhaltsam stürzend seinem Abgrund entgegeneilt? O hätten alle, die gute Werke geschrieben haben, die Hälfte von diesem Guten getan, es stünde besser um die Welt.“

Hie und da verläuft sich Steckel ein wenig in Kitsch und Opulenz, in eine merkwürdige Ästhetisierung des Krieges. Dann wieder tanzen die Schauspieler:innen beinahe slapstickhaft zu Tschaikowsky oder zu David Bowies „Let’s Dance“ eine Choreografie des Sterbens (Choreografie: Dominika Knapik). Die Rolle der Frauen wertet die Regisseurin auf: Stephanie Eidt als Kurfürstin, Alina Vimbai Strähler als Prinzessin Natalie und Jule Böwe als Obristin Kottwitz sind den Männern gleichberechtigte Kämpferinnen in diesem Gefecht um einen Rest an Menschlichkeit. Dennoch: Einen glücklichen Ausgang gibt es hier nicht. Er wäre wohl auch mehr als unglaubwürdig. „Ich wollte lieber den Tod als das noch einmal zu erleben“, konstatiert Homburg am Ende. Dieses „das“ ist nicht seine Verurteilung, es ist das Trauma des  Krieges.