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Produktionstagebuch #1: Bühnenmodell und Bauprobe

Wolltet ihr immer schon wissen, wie Inszenierungen am Theater entstehen? Dann verfolgt unsere Produktionstagebuch zur Stückentwicklung „Anybody Home” des Jungen SchauSpielHauses Hamburg. Nelly Schubert und Nina Quast, die dort beide einen Bundesfreiwilligendienst machen, begleiten den Prozess mit Fotos, Texten und Videos von der Bauprobe bis zur Premiere.

Foto oben: Nelly Schubert
Beitrag von: am 11.02.2025

Dramaturgin und Autorin Stanislava Jević und Regisseur Klaus Schumacher, die schon in unterschiedlichen Zusammenhängen Stücke entwickelt und geschrieben haben, werden mit dieser Produktion ein neues zeitgenössisches Stück für Jugendliche schreiben. In diesem Beitrag möchte ich, Nelly Schubert, euch aber zunächst im Gespräch mit Bühnenbildnerin Katrin Plötzky (Bühne und Kostüm) von der Bühnenidee und der Bauprobe berichten.

Was ist deine Bühnenidee? Wie bist du auf das Konzept gekommen?

Katrin Plötzky: Bei dem Stück gibt es eine Besonderheit: Klaus Schumacher fragte mich, ob ich den Entwurf zur Eröffnungsproduktion unserer 20-jährigen Jubiläums-Spielzeit 25/26 machen würde. Es gibt dazu aber noch gar kein fertiges Stück, sondern wir machen eine Stückentwicklung wie wir es am Jungen Schauspielhaus schon öfter gemacht haben. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es eine Plotstruktur, einen möglichen Ablauf der Szenen, aber noch keinen Text. Wir wissen schon, dass es ein Stück über eine Familie sein wird, die in einer Zeit auseinanderdriftet, in der alle durch Soziale Medien oder ihre Arbeit beschäftigt sind und als Gemeinschaft den Zusammenhalt verlieren. In dieser Komplexität der Welt ist jede:r im eigenen Film und im Stück gibt es vor allem eine Figur, die versucht das Ganze zusammenzuhalten.

Wie wird das auf der Bühne aussehen?

Katrin Plötzky: Ziemlich schnell stand fest, dass es auf der Drehbühne ein Haus oder ein Objekt mit zwei Etagen geben soll, in das man hineinschauen kann, wie in das Innere eines Apfels. In der Erzählung soll es so sein, dass es ein Feuer gegeben hat. Ich habe mir überlegt, dass ich es gut fände, ein verbranntes Haus zu zeigen, weil es ein Symbol für diese Welt ist. Es ist aber nicht komplett verbrannt, es gibt intakte und verrußte Stellen. Als ich den Entwurf gemacht habe, fingen gerade die Brände in Kalifornien an und ich habe mir viele Bilder von verbrannten Häuser dort angeschaut. Dabei ist mir aufgefallen, dass eigentlich immer der Kamin in der Mitte stehen geblieben ist. Um so eine Art Kamin habe ich dann ein Gerippe entwickelt: Bruchstücke eines Hauses, in dem man aber so tut als wäre alles wie gehabt. Es gibt Möbel, die wieder reingetragen wurden, aber zum Beispiel keine Türen. Es ist vielleicht eine Art Rückblick, sodass man auch in die Zeit schauen kann, bevor es in diesem Haus gebrannt hat.

Bei der Bauprobe am 6. Februar © Nelly Schubert

Welche Materialien möchtest du verwenden?

Katrin Plötzky: Ich habe architektonisch herum probiert und geschaut, welche Materialien gut zueinander passen. Ich bin dann auf Beton gekommen, der abgebrochen ist, in Kombination mit dem verbrannten Holz, was optisch schon sehr interessant aussieht. Ich hatte da aber sehr viel Freiheit, dieses Objekt zu entwickeln. Ich habe einen Entwurf gemacht, Klaus und die Stanislava sind zu mir ins Atelier gekommen, wir haben dann weiter über das Stück gesprochen und dann habe ich weiter am Modell herum getüftelt.

Wie arbeitest du am Bühnenbild?

Katrin Plötzky: Normalerweise lese ich den Text, den es hier wie gesagt nicht gab. Ich habe mich von Stanislavas und und Klaus‘ Ideensammlung für Plot und Figuren inspirieren lassen. Wie ist die Stimmung? Welche Figurenkonstellationen gibt es schon? Wie könnte die Handlung aussehen? Mittlerweile habe ich in meinem Kopf so viele Bilder abgespeichert, die sich dann zu etwas Neuem zusammensetzen. Das passiert eigentlich von selbst, man muss nur ein wenig Geduld haben. Und dann versuche ich, das im Modell zu visualisieren. Gleichzeitig schaue ich mir auch häufig inspirierende Bücher an. Bei diesem Stück waren es eher Bilder von den Bränden in Kalifornien, aus Kriegsgebieten und von Zerstörung – das alles wollte ich aber gern mit schönen Dingen kombinieren. Ich will in dieses zerstörte Haus auch familiäre, warme Objekte einbringen, zum Beispiel eine gemütliche Sitzlandschaft oder eine schöne Lampe, sodass es einen Gegensatz gibt. Die Schönheit auf der einen Seite, aber auch die Skurrilität, dass es nicht nur ein kaltes Objekt ist und man die Wärme vom Familienleben spürt. Da hatte es die Familie mal richtig gemütlich und das versuchen sie vielleicht irgendwie wiederherzustellen. Ich war vom Thema sehr inspiriert, weshalb es mir leicht gefallen ist, in einer kurzen Zeit einen Entwurf zu erstellen.

Wie sieht die Arbeit mit dem Regieteam aus?

Katrin Plötzky: Ich habe das Glück, dass mir Klaus sehr viel Freiraum lässt und wir mittlerweile so vertraut sind, dass ich weiß, was zu seinen Inszenierungen passt. Mit meinen weiteren Arbeitsbeziehungen läuft das ähnlich ab. Als Berufsanfängerin habe ich auch mit Menschen zusammengearbeitet, die schon eine konkrete Vorstellung davon hatten, was sie auf der Bühne wollten und wo ich dann weniger Spielraum in der Umsetzung hatte. Sich gegenseitig mit Ideen zu überraschen und im ständigen Dialog zu bleiben, ist natürlich erfüllender.

Was sind die nächsten Schritte bei der Umsetzung?

Katrin Plötzky: Die Bauprobe, bei der alle Elemente mit Standardmaterialien markiert werden. Die Wände werden beispielsweise mit Nessel bespannt, die die Proportionen andeuten. Dann werden die Sichtlinien überprüft. Das heißt, dass geschaut wird, ob man von allen Plätzen im Zuschauerraum einen guten Einblick in das Bild hat. Und es wird geschaut, ob alles von den Größen her stimmig ist. Man kommt mit den Werkstätten ins Gespräch, wie die Ideen umgesetzt werden können – alle machen sich schon mal Gedanken. Die Bauprobe ist ein wichtiger Termin: Danach müssen vielleicht manche Dinge angepasst oder geändert werden, vielleicht gibt es neue Ideen. Nach der Bauprobe geht dann alles zum Konstrukteur, der die Zeichnungen verfeinert und dann gibt es eine Planabgabe in den Werkstätten, wo man ins Detail geht: Wie sind die Oberflächen beschaffen, welche Farben gibt es etc. Und danach geht die Bühne endlich in den Bau.

Katrin Plötzky © Riccarda Russo

Das Team rund um die Produktion:

Anybody Home

von Stanislava Jević und Klaus Schumacher

Regie: Klaus Schumacher / Bühne und Kostüm: Katrin Plötzky / Musik: Jan Beyer / Dramaturgie: Stanislava Jević

Es spielen: Hermann Book, Anastasia Lara Heller, Victoria Kraft, Christine Ochsenhofer, Parsa Yaghoubi-Pour, Payam Yazdani

 

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Nelly Schubert © privat

Ich bin Nelly Schubert, 19, komme aus Dresden und mache in der Spielzeit 24/25 einen Bundesfreiwilligendienst am Jungen SchauSpielHaus in der Ausstattung. Nach dem BFD möchte ich (Bühnen- und) Kostümbild studieren.