Ankommen, zurücklehnen und zuschauen ist bei diesem Theaterstück von Markolf Naujoks keine Option. Mit dem Einlass bekommt jede Person einen „Cube“ (ein weißer Würfel mit Knöpfen und kleinem Bildschirm), mit dem man sich in den Saal einchecken muss und der während der Inszenierung immer wieder zum Einsatz kommt. Auf Papphockern sitzend, erklärt Kaiserin Marie in einem Video, dass diese Würfel die Tür zu ihrer Welt seien. Kaiserin Marie, das ist – wie wir später herausfinden – die Figur, die die „echte“ Marie in ihrem Videospiel als ihren Avatar programmiert hat.
Videospiele spielen und programmieren ist für Marie ein Zufluchtsort vor der realen Welt – und vor allem ihren Emotionen. „Wie bekämpft man ein Gefühl? Wie kämpfe ich gegen einen Gedanken?“, fragt sie ihren Therapeuten. In ihrem Spiel hat Marie ein Wesen erschaffen, das viel greifbarer – und vor allem bekämpfbarer – ist als ihre Gedanken: Leviathan, der schlangenartige Bösewicht, der alle Geschöpfe tötet, die Marie geschaffen hat und letztendlich auch sie holen will. Gegen ihn kann sie kämpfen, beziehungsweise Kaiserin Marie kann es! Und sie ist nicht allein. Denn im Videospiel hat Marie zwei große Schwestern, die mit ihr und für sie kämpfen.
Minigames und animierte Welten
Und auch das Publikum darf eintauchen in Maries Welt und sich an ihrer Rettung beteiligen! Eine Reise durch Maries Erinnerungen beginnt, immer begleitet von ihren zwei Schwestern, die das Publikum dabei unterstützen, verschiedene Level abzuschließen und Memory-Punkte zu gewinnen.

Auf der geräumigen Probebühne wandert man nun in Kleingruppen von Level zu Level. Der Aufbau ist jeweils ähnlich: Zunächst gibt es eine Einführung in die verschiedenen animierten Welten durch die Schauspieler:innen selbst, duch Videos oder ein Hörspiel, und anschließend folgt ein kleines Minigame das die Gruppe absolvieren muss. In der dystopischen Rolltreppenwelt müssen farbige Lichter miteinander verbunden werden, in der blauen Wüstenlandschaft sind „This or That“-Fragen zu beantworten, und in den Sümpfen wird getestet, wie gut man bisher aufgepasst hat. Dabei zeigt der Würfel stets den Spielstand des Teams an, leuchtet grün bei richtigen Antworten und signalisiert, wann es ins nächste Level geht.
Innovativer Ansatz
Dieses Gamifizieren des Theaters funktioniert an vielen Stellen sehr gut, bietet aber auch noch Raum für Verbesserung. Neben einigen kleineren technischen Problemen wirkt der Raum mitunter überfrachtet, sodass es schwerfällt, sich auf das jeweilige Level zu konzentrieren. Etwas mehr Anleitung bei den Minigames wäre ebenfalls hilfreich gewesen – die Partizipation bleibt oft zaghaft, da sich das Publikum unsicher ist, miteinander in Kontakt zu treten und die Spiele gemeinsam zu meistern.
Trotzdem: Ein innovativer Ansatz, jungen Menschen Theater näher zu bringen, sie für das Thema mentale Gesundheit zu sensibilisieren und sie mehr in die Inszenierung mit einzubeziehen. Dabei wird sehr einfühlsam und vorsichtig mit dem Thema mentale Gesundheit umgegangen und die Überforderung und Hilflosigkeit eines Teenagers treffend gezeigt. Beim Auschecken am Ende, bekommt man dann sogar noch einen Bon mit dem Punktestand der Gruppe und (wichtig!) einer Telefonnummer des Uckermarker Kinder- und Jugendnotdienstes.
Mit: Katharina Apitz, Antonia Schwingel, Katarzyna Kluczna, Paulina Woytowicz, Christian Hirseland
Inszenierungsteam: Game Theatre: Samia Chancrin, Sarah Methner, Markus Schubert, Georg Werner; Dramaturgie: Benjamin Zock; Theaterpädagogik: Waltraud Bartsch; Produktionsleitung und Regieassistenz: Daniel Richard Bogacki; Inspizienz: Babette Schulz; Soufflage: Christian Hirseland; FSJK: Sebastian Köbler
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Violetta Zwick © privat
Violetta Zwick ist 2001 in Saarbrücken geboren und in Oberhausen aufgewachsen. Sie studiert Literatur in Berlin und sammelt nebenbei Erfahrungen im Theaterbereich und als Kulturjournalistin. Violetta schaut Theater seit sie denken kann. Sie fasziniert vor allem, wie kanonisierte Werke aktuell gehalten werden können und wie Theater als künstlerische Reflexion der Gegenwart funktioniert.