Kritik

Streit, Liebe und Witz

„Romeo und Julia“
Nationaltheater Weimar
Februar 2020

Foto oben: Candy Welz
Beitrag von: am 01.02.2020

Premiere: 1. Februar 2020

Die Bühne ist leer, leichter Nebel hängt in der Luft, ringsherum um die Bühne stehen halbschräge Gitterplatten. Nur an der Rückwand gibt es eine Unterbrechung, ein Tor, welches offensteht. Ebenfalls an der Rückwand führt eine Leiter, zu einer leichten Erhöhung. Wobei der Sinn der zusätzlichen Ebene, sich nicht wirklich erschließt. Die Beleuchtung hängt tief und ist dadurch sichtbar. Ein einsames Mikro steht am rechten vorderen Bühnenrand. Das Bühnenbild von Oliver Helf ist schlicht und praktisch, wirkt fast wie in einer Fabrikhalle. Durch das Licht herrscht zu Beginn eine warme Stimmung. Die Balkonszene findet auf einer Hebebühne statt. Auf der Hebebühne thront ein steinern angemalter Pappbalkon, der bei jeder Bewegung der Julia fragil schwankt. Dies ist wie ein Sinnbild für die Liebesbeziehung der Protagonisten. Während des Kampfes wird das Tor geschlossen und die Bühne verwandelt sich in eine Arena. Das neue Bild der Arena löst ein beklemmendes Gefühl aus. Nach der Pause ist die Beleuchtung nicht mehr zu sehen. Dafür bedeckt ein riesiges weißes Tuch die Bühne. Auf dem Tuch erwachen Romeo und Julia nach ihrer ersten und letzten Liebesnacht. Als Julias Familie Julia reglos auffindet, wird das Tuch symbolhaft wie ein Leichentuch von der Bühne getragen. Das Bühnenbild besticht durch seine Klarheit und Einfachheit. Durch wenige Mittel werden verschiedenste Stimmungen und Situationen geschaffen.

Von der nüchternen Bühne setzt sich klar das bunte Kostümbild von Cary Gayler ab. Romeo trägt einen regenbogenfarbenen Wickelrock und wirkt dadurch wie ein Hippie. Die Diener aus dem Hause Montague tragen blaue und rosafarbene Turmfrisuren, die wie aus einem Anime erscheinen. Dazu haben sie Blumenschürzen umgebunden. Auf allen Kostümen finden sich die Bilder von Hunden wieder. Der Zuschauer fragt sich, was dies zu bedeuten hat? Stehen die Hunde sinnbildlich für den jeweiligen Charakter der Figur? Da ist zum Beispiel, Julias Mutter: sehr elegant gekleidet mit einem kleinen, echten Hund auf dem Arm. Sie wird durch einen Pudel an ihrem Kostüm symbolisiert. Die einzige Figur die keinen Hund auf ihrem Kostüm trägt, ist Julia. Ihr Kostüm erinnert an die Muster von viktorianischen Tapeten und bleibt durch seine Auffälligkeit im Gedächtnis. Die Zottelperücken, die während der Festszene, als Masken, den Protagonisten die Sicht versperren sind ein schöner Einfall. Die gerade die Hauptfiguren während ihrer ersten Begegnung vor Herausforderungen stellen. Die Kostüme, gerade der Diener, versuchen gewollt komisch zu sein und können nicht überzeugen. Die Kostüme der Mönche lassen den Zuschauer verwundert zurück. Sie tragen purpurne Gewänder und auf dem Kopf Nonnenhauben. Falls man die Mönche geschlechterneutral darstellen wollte, schlägt dies durch die klare männliche Namensnennung „Lorenzo“ fehl. Das Kostüm soll wohl den komischen Charakter der Mönche unterstreichen, dass wirkt eher platt und unnötig, da die Mönche allein durch ihr Spiel ausreichend für Komik sorgen. Dagegen können die restlichen Kostüme überzeugen.

Schauspielerisch sind die Szenen vor allem zwischen Romeo (Nahuel Häfliger) und Julia (Rosa Falkenhagen) stark. Gerade die ersten anfänglichen Flirtversuche, der verspielte Umgang der Figuren untereinander und die Entwicklung der Figuren über das Stück sind schön zu beobachten. Auch der Vater von Julia (Bernd Lange) und seine Wandlung vom liebevollen Vater zum gewalttätigen sind spannend. Das Stück stellt vor allem eine Ensembleleistung dar.
Die Regie (Jan Neumann) und die Dramaturgie (Eva Bormann und Lisa Evers) zeigen ein durchgehendes Bild aus Konflikt und Gewalt. Dieses beginnt mit der ersten Szene, in der immer mehr Schauspieler sich immer lauter beschimpfen bis es zu Handgreiflichkeiten kommt. Natürlich bekriegen sich auch die verfeindeten Familien, selbst innerhalb der Klostermauern kommt es zu Streit. Jan Neumann zeigt in seiner Inszenierung den Umbau der Bühne. Dies unterstreicht die funktionelle Ausstattung der Bühne und lässt Raum für das Schauspiel des Ensembles. Die bereits oben beschriebene Balkonszene auf der Hebebühne wird im Schlussbild stilistisch weitergeführt. Das Schlussbild zeigt die Hauptfiguren auf einem Sockel stehend, als Sinnbild des tragischen Liebespaares. Diese Bilder passen sehr gut, weil sie mit den bekannten, symbolhaften Darstellungen spielen. Interessant ist der Mönch, der verzweifelt das Publikum nach dem verlorengegangenen Brief fragt, den er Romeo bringen sollte. Das Publikum sieht sich so mit der Frage konfrontiert, wie die Geschichte hätte enden können, wenn der Brief Romeo erreicht hätte. Die Verwendung von Jugendsprache als Witz ist eher unangenehm, als lustig. Die vulgären Späße von Mercutio sorgen für Längen und hätten durchaus gekürzt werden können.

Eine besondere Dynamik erfährt das Stück durch seine abwechslungsreichen Kampfchoreografien (Jan Krauter). Die Kampfszenen sorgen für Spannung und Action auf der Bühne. Vor allem die Fechtszene zwischen Mercutio, Tybalt und Romeo bleiben im Gedächtnis und sind beeindruckend.

Der Ton (Uwe Kohlhaas und Matthias Neumann) trägt entscheidend zu den verschiedenen Stimmungen bei. So wird die Dramatik in der Gruftszene durch das Ticken einer Uhr unterstrichen. Dadurch wird der Faktor Zeit in der Tragödie hervorgehoben. Würde Romeo später kommen oder Julia früher aufwachen, könnte die Geschichte anders ausgehen. Der Gesang von Graf Paris (Bastian Heidenreich) geht dem Zuschauer unter die Haut und sorgt für eine ergreifende Stimmung.

„Romeo und Julia“ inszeniert von Jan Neumann, am Deutschen Nationaltheater in Weimar, ist ein Theaterabend dessen Besuch sich lohnt. Man muss sicher nicht mit allen Regieentscheidungen einverstanden sein. Insgesamt aber erwartet den Besucher eine Inszenierung die überzeugen kann, durch die Konzentration auf das Spiel der Schauspieler, durch Komik, die gerade zu Beginn den Einstieg ins Stück erleichtert, und durch die spannenden Kampfszenen.

Leonie Naujoks, die Autorin dieses Beitrags, studiert in Jena. Geschichte und Erziehungswissenschaft. Im Jahr 2019 nahm sie am Nationaltheater Weimar am Projekt „Woyzeck“ teil.