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Kurzporträt: Die Choreografin Emma Kate Tilson

In unserer Story dreht sich alles um den Choreograf:innenberuf. Wo liegen die Herausforderungen besonders am Anfang der Karriere? Tänzerin und Neu-Choreografin Emma Kate Tilson vom Nationaltheater Mannheim erzählt von den Herausforderungen, was sie antreibt, und wie schwierig es ist, auch mal loszulassen.

Foto oben: Maximilian Borchardt
Beitrag von: am 04.07.2022

Alles passt sich der Energie an, die man auf die Bühne mitbringt

Emma Kate Tilson, 28, ist Tänzerin am Ballett des Nationaltheaters Mannheim. Seit ein paar Jahren arbeitet sie auch als Choreografin. Mit „Layered, in figments“ hat die gebürtige Amerikanerin für den Ballettabend „Rising“, dem neuesten Tanzprojekt des Nationaltheaters mit Choreografien junger Tänzer:innen, gerade ihr erstes Stück für die Bühne entwickelt (der Besuch im Tanzhaus fand im Februar 2022 statt, Anm. d. Red.). Davor hat sie vor allem Tanzfilme für die „Choreografische Werkstatt“ am Nationaltheater kreiert. Sie wirkt müde und etwas blass, als ich den Ballettsaal des Tanzhauses betrete, wo ich ihr und dem Ensemble bei der Durchlaufprobe zusehen darf. „Ich tanze heute nicht volle Power“, meint sie entschuldigend, „mein Magen macht nicht mit.“

Einen guten Eindruck von ihrem Solostück, das sie sich selbst auf den Leib choreografiert hat, bekomme ich dennoch. Nach einigen leichten Aufwärmübungen schiebt Emma sich vor imaginären Spiegelwänden zu sphärisch-futuristischen Klängen über den Boden, lässt sich dabei viel Zeit für einzelne Bewegungen; ein Arm, der sich langsam und tranceartig in die Höhe öffnet, ein Bein, das scheinbar unkontrolliert zuckt, um schließlich in eine lange Dehnbewegung zu gleiten. Schon aus den sehr reduzierten Bewegungsabläufen, die sie hier zeigt, kann man erahnen, welche Kraft das Stück auf der Bühne entfalten wird.

Worin der Unterschied läge zwischen Film- und Bühnenchoreografie, frage ich sie im Anschluss der Probe, als wir in einem kleinen Pausenraum zwischen mit Trainingskleidung beladenen Wäscheständern sitzen. „Ich habe immer gedacht, dass Choreografieren für die Kamera weniger anstrengend ist als für die Bühne. Man kann genau auswählen, was das Publikum sehen wird, Fehler herausschneiden und mit näheren Aufnahmen Akzente setzen. Auf der Bühne gibt es keine Möglichkeit, Fehler zu korrigieren, und man muss sich viel mehr darauf konzentrieren, wie man die Bewegung, die Musikalität und die Beleuchtung einsetzt, um das zu betonen, was man zeigen möchte. Die Arbeit an einer Choreografie für die Bühne ist nie abgeschlossen, alles passt sich der Energie an, die man auf die Bühne mitbringt. Das ist zwar anstrengender, aber auch schöner, weil die Live-Performance eine echte Verbindung zum Publikum herstellt“, erklärt Emma. Vor der Premiere von „Layered, in figments“ sei sie besonders angespannt gewesen. Gleichzeitig habe sie erstmals das starke Gefühl gehabt, eine richtige Choreografin werden zu können, auch wenn der Weg dahin nicht ganz einfach sei. „Es ist schon schwierig genug, Tänzerin zu sein, aber es ist noch schwieriger, von den eigenen Stücken zu leben“, sagt sie. Man müsse sich gut nach Außen verkaufen können, wenn man als Choreograf:in Erfolg haben wolle, daran arbeite sie noch.

 

Emma bei den Proben zu "Layered, in figments"; Foto: M. Borchardt

Der choreografische Prozess sei bei ihr grundsätzlich etwas ungewöhnlich, fährt sie fort. „Ich bin sehr wählerisch und möchte, dass Musik und Bewegung genau aufeinander passen. Das kann manchmal zu Blockaden führen, so dass ich dann erst einmal frei zu anderer Musik tanze, um wieder Energie und neue Ideen zu bekommen.“ Unterstützung erhält Emma dabei von ihrem Verlobten, der die Musik für ihre Stücke komponiert. „Wenn ich merke, dass eine Bewegung nicht gut mit der Musik harmoniert, ändert er die Stelle für mich. Oder wenn ich einen ganz speziellen Klang suche, entwickelt er ihn“, erklärt sie. Eine Herausforderung sieht Emma besonders darin, ihren individuellen choreografischen Stil auf andere Körper zu übertragen. „Ich liebe kleine Bewegungen, von Armen, von Händen und auch schauspielerische Elemente, um Atmosphäre zu schaffen. Es braucht noch eine gewisse Zeit, bis ich diesen Stil so weit entwickelt habe, dass er auch Sinn hat, wenn er von anderen Tänzer:innen interpretiert wird“, meint sie selbstkritisch.

Emma hat selbst keine spezielle Ausbildung zur Choreografin absolviert. Bereits als Kind kreierte sie kleine Stücke, die Freude daran hat sie bis heute nicht losgelassen. „Es war nicht wirklich eine Entscheidung, zu tanzen und zu choreografieren, ich bin da einfach hinein gewachsen“, sagt sie. Jüngeren Menschen, die diese Leidenschaft für den Tanz ebenfalls haben, rät sie daher, dem Weg unbedingt zu folgen und nicht direkt einen Plan B zu entwickeln, nur weil man ab 35 vielleicht nicht mehr auf der Bühne stehen kann. „Jeder Tag ist anders, ständig wächst man an den Erfahrungen und auch an den Kämpfen, die man mit sich oder manchmal auch mit anderen austragen muss. Aber am Ende lohnt sich das alles, weil man zu dem Künstler geworden ist, der man ist.“

 

Ausführlich Informationen zum Choregraf:innen-Beruf findet ihr auf der Berufe-Seite des Deutschen Bühnenvereins.