Good Game
Das neue Let’s-Play-Format der Münchner Kammerspiele
Treffen sich zwei Typen im Theater und spielen Videospiele. Das ist das neue Online-Format Good Game an den Münchner Kammerspiele, das jeden zweiten Donnerstag auf Twitch live gestreamt wird. Alle zwei Wochen laden Schauspieler Thomas Hauser und Dramaturg Harald Wolff in den ersten Stock der Kammerspiele ein. Auf dem Spielplan stehen aber keine Theaterstücke sondern Computerspiele. Mit Gäst*innen aus der Theaterwelt heißt es dann: Lasst die Spiele beginnen. Vom 70er Jahre Klassiker Pong bis zu Action-Games wie Tomb Raider ist alles dabei, was das Herz von Gamingfans begehrt. Bei Good Game wird gequatscht, gestritten, gewonnen und vor allem gezockt.
Ein Spiel ist ein Spiel ist ein Spiel
Videospiel und Theater – wie das zusammen passt? Es geht grundsätzlich ums Spielen und darum, Geschichten zu erzählen, erklären die beiden Gastgeber in der Auftakt-Folge auf Twitch. Was erzählen uns die Spiele und welche Narrationen stecken dahinter? Welches Spielgefühl entsteht wenn man einen Controller in der Hand hat? Es sind schlussendlich Szenarien, auf die wir uns einlassen, fiktive Geschichten, in die wir uns hineinversetzen und die uns mitreißen. Im Grunde geht es dabei um das Erschaffen neuer Welten. Videospiele und Theaterstücke als Alternativen zum echten Leben. Handlungen werden vorausgesetzt, Charaktere werden gespielt, kurz: wir sind emotional involviert in das, was uns erzählt wird.
Schon gleich zu Beginn des Livestreams wird es existenziell und zwar mit der Frage: Sind Videospiele eigentlich Kunst? Good Game soll dabei ein Versuch sein, die digitale wie analoge Welt ein bisschen besser zu verstehen. Den Auftakt macht der Videospiel-Klassiker Pong, diesem super alten Spiel, bei dem man einen Ball hin und her schießt und mit zwei Balken am Rand abwehren muss. Klingt nach einem Spiel der guten alten Zeit. Kurz bevor Play gedrückt wird, verändert sich die Atmosphäre im Stream, einer der Gamer flüstert in bedeutungsvollem Ton: „Das fühlt sich an wie auf der Bühne. Innehalten gemeinsam und für eine andere große Szene ansetzen.“ Die Parallelen zwischen Bühne und Gaming sind liebenswert. Zwischendrin wird man mit Trivia versorgt: Der Begriff ‚Good Game‘ kommt aus dem Online-Multiplayermodus. Wenn einem das Spiel Spaß gemacht hat und man eine gute Zeit hatte, wird das mit dem wertschätzenden Kürzel ‚GG‘ (Good Game) ausgedrückt.
Revolution fürs Kinderzimmer
Beim Daddeln plaudern die beiden aus dem Nähkästchen und erzählen von ihren ersten Erfahrungen mit Computerspielen. Thomas blickt stolz auf seinen ersten Game Boy Color mit Super Mario zurück, der neben Pokémon, Polly Pockets und Diddl-Mäusen zur Grundausstattung eines jeden Kinderzimmers der 90er und frühen 2000er Jahre gehörte.
Mühsam erspart kamen dann später die PlayStation und Wii dazu. Bei seinem Spielpartner Harald reicht die Erinnerung sogar noch weiter zurück. Als 1976 das US-amerikanische Arcade-Spiel Pong auf den Markt kam, war er gerade sieben Jahre alt. Mit einem Nachbarsjungen habe er das Spiel damals auf dem schwarz-weiß-Fernseher gespielt und meint sentimental „ich erinnere mich körperlich an die Faszination!“ Die Technik war für ihn als Kind nicht zu durschauen, aber dass da etwas auf dem Bildschirm passiert, was er selber beeinflussen konnte, hat ihn umgehauen.
Neben dem galaktischen Piepsen im Videospiel werden aber auch ernste Töne angeschlagen. Es kommen Fragen auf wie: Macht Zocken einsam? Sind Videospiele eine Flucht vor der Realität? Schnell wird aber festgestellt, dass Gaming gar nicht so unkommunikativ ist, wie wir denken. Besonders bei Online-Spielen geht es um den Austausch untereinander, das Konkurrieren um den besten High Score und das Teilen einer Leidenschaft. Dabei gehören Diskutieren, Jubeln und sich ärgern einfach mit dazu. Besonders durch immer größer werdende Plattformen wie Twitch kommen Leute aus aller Welt zusammen und bilden Communities, in denen kommentiert, mitgefiebert und sich gegenseitig supportet wird. Und auch der Anteil der weiblichen Gamerinnen liege mittlerweile bei fast 50 Prozent, wie es im Stream heißt. Dass sich viele Spielbegeisterte oft nur aus der digitalen Welt kennen, sei dabei nebensächlich. Gaming bedeutet also auch Gemeinschaft.
Kopf aus, Konsole an
Während der Pong-Ball auf dem Bildschirm herumflimmert und sich hier und da ein triumphierendes „Yeah!“ nicht verkniffen werden kann, wird weiter über das Leben philosophiert. Dabei wird klar: wir brauchen mehr Fantasie und ab und zu einen Hang zur Immersion. Denn im Prinzip sind Computerspiele genau das, total drin sein und stundenlang einfach abtauchen. Gerade in Zeiten der Nachrichtenfluten und Isolation können Spiele eine kleine Insel der Abwechslung für den ständig rauschenden Kopf sein. Das Bedürfnis, abzuschalten und kurz der Realität zu entfliehen, ist dabei etwas Vertrauertes, was wir quasi seit der Kindheit üben. Sei es in Rollenspielen oder beim Lesen von abenteuerlichen Fortsetzungsromanen. Eine Ode an die eigene Fantasie, das sei gutes Gaming. Für die beiden Spieler steht fest: Das Versinken in spannenden Bücher in der Kindheit ist eigentlich nichts anderes als heute ein Videospiel einzulegen.
Wer bei dem Talkshow-Format Theater mit großen Gefühle erwartet, wird eher am Rande mit Anekdoten aus dem Alltag der beiden Theaterliebhaber beglückt. Good Game ist ein unterhaltsamer Let’s-Play-Stream, Ersatz für einen Theaterbesuch allerdings nicht, dafür aber eine schöne Abwechslung zu den großen Gefühlen auf der Bühne. Die lockeren Gespräche beim gemeinsamen Gamen machen Lust, selbst mal wieder die alte Spielekonsole aus dem Regal zu kramen und loszudaddeln. Retro-Charme ist dabei Programm, die Zeitreise durch den Bildschirm weckt auch bei den Zuschauenden des Livestreams Erinnerungen. Im Chat schreibt eine Person: „Wunderbares Format – Fühle mich schon ganz nostalgisch!“ Also: Kopf ausschalten und einfach mal wieder zocken.