Vor zwei Jahren hat sich „Klima/Krise/Klitoris“ gegründet. Wer gibt bei Euch im Team den Ton an?
Bendix: Ich glaube, es verändert sich die ganze Zeit. Ein Teil unserer Arbeit ist auch Arbeit an genau dieser Frage. Weil nicht alles immer reibungslos läuft. Wenn es laufen würde, dann wärs vielleicht langweilig. Stattdessen gibt es eigentlich immer wieder so Momente, wo man das Gefühl hat, das funktioniert nicht so richtig. Oder man muss die Frage klären, ob es eine Person gibt, die den Ton angibt, wer gerade Geld braucht, einige Leute bei uns sind abhängig von der Arbeit, die wir machen. Das sind alles Fragen, die wir uns die ganze Zeit stellen müssen und uns zum Glück stellen können. Wir versuchen, da im Gespräch zu bleiben. Team ist ja ein sehr weiter Begriff, wir sagen häufig Netzwerk. Es ist so ein Beziehungsgeflecht, mit unterschiedlichen Knoten und Stärken und Dicken. Und sicherlich ist der größte Knoten, wo alle Verbindungen zusammenlaufen, Marie.
Carmen: Am Anfang haben wir ganz stark an dem Begriff Kollektiv festgehalten, weil wir den Gedanken daran sehr attraktiv fanden. Aber wir haben gemerkt, dass das total voraussetzungsvoll ist mit diesem ideell aufgeladenen Begriff zu arbeiten. Weil der eine Gleichheit voraussetzt, die sich im Laufe der Zeit eigentlich immer wieder ändert. Weil wir so unterschiedlich sind, aus unterschiedlichen Bereichen kommen. Weil wir teilweise eben von Performance leben. Und die gemeinsame Arbeit dann die einzige Einkommensquelle ist. Durch diese unterschiedlichen Ressourcen, die wir so zur Verfügung haben, hat sich es dann irgendwann besser angefühlt zu sagen, wir sind ein Netzwerk. Und haben eine kontinuierliche Arbeit an diesem Netzwerk.
Marie: Ursprünglich gab es eine Art Konzept von Carmen und mir. Wir wollten etwas gründen, was den Themenkomplex Klimakrise aus einer feministischen Perspektive auf multiple Art und Weisen bearbeitet. Uns war es ein Anliegen, dass es verschiedene Perspektiven auf diesen Themenkomplex geben soll und das auch durch die Menschen vertreten wird. Wir sind multipel im Sinne von Theaterschaffenden, wir bestehen aus Tänzer:innen, Choreographinnen, auch bis hin zur praktischen Landwirtschaft. Wir haben einen, der ist Gärtner und Skulpturist. Dann gibt’s eine Psychologin, die bei uns arbeitet, eine Flechtenforscherin. Mehrere Fotograf:innen, Filmemacher:innen, Leute, die aus der bildenden Kunst kommen. Wir haben nie entschieden, wo die Grenze ist von der Expertise her. Sondern wer hat was zu welchem Thema beizutragen. Ziel des Ganzen ist es einerseits, das in dem Prozess immer wieder auszutarieren. Und sich gleichzeitig fragen: wie kann man das gemeinschaftlich in Räume bringen? Jetzt gerade war das eine Bühne, aber es gab eben auch einen Parkour, wir hatten auch immer die Fantasie, so eine Art, Symposium oder Festival zu gestalten und noch paar Leute dazuzuholen.
Welche Ideen haben Euch bei bisherigen Formaten geleitet?
Marie: Es gab zuerst den Film, der ist coronabedingt entstanden, weil wir keine Möglichkeit hatten, zusammenzukommen. Wir haben uns dabei immer an den adaptiven Zyklus gehalten. Das sind die vier Stadien von Wachstum, Stagnation, Krise und Reorganisation. Aufgrund dieser Stadien sind vier Kurzfilme entstanden. Im September letzten Jahres gab es die Chance, das nochmal aufzuführen. Da sind wir zu dem ursprünglichen Gedanken zurückgekommen und haben einen Parkour auf den vier Etagen vom bat-Studiotheater von der Ernst Busch gemacht. Da sind kleine piefige Proberäume, die für uns aber sehr schön waren, weil auch da so ein organischer Raum entstanden ist, wo alle parallel gearbeitet haben und verschiedene Dinge entwickelt wurden, die dann in den jeweiligen Räumen wieder zu diesen Stadien zusammengewachsen sind.
Klima, Krise, Klitoris – wie kam es zu dieser Alliteration?
Marie: Ich wollte irgendeinen witzigen E-Mail-Betreff schreiben in unserer langen Recherche, die wir im ersten Lockdown zusammen betrieben haben. Und dann kam dieser Name im Betreff auf einmal raus. Es war eher eine Benennung von Recherchematerial. Ich kann mich noch an die Anfänge erinnern, diese Themen von sozialer Gerechtigkeit oder von dem Auflösen von Binaritäten oder Dichotomien. Soziale Gerechtigkeit und Klimakrise können nicht losgelöst voneinander gedacht werden. Das ist etwas, was zusammen und parallel gedacht werden muss. Dass aber nicht der Feminismus, also die Klitoris da steht, ist gerade so das Lustvolle, Sinnliche Durchdringen von dieser Thematik und nicht das moralische Vermitteln von dem Diskurs, sondern eine Übersetzung dafür zu finden. Und da ist vor allem die Klitoris vor allem da drin. Und das Schöne war auch, als wir den Namen hatten, dass meine Mutter vor mir stand und sagte ‚ach witzig, früher hieß das doch Kinder, Küche, Kirche!‘ und das ist auch nochmal so eine ganz schönes Ausversehen gewesen, was sich irgendwie ganz gut einfügte in unsere Art und Weise, unser Thema zu ergründen. Das aus Kinder, Küche, Kirche jetzt Klima, Krise, Klitoris geworden und der Imperativ überholt ist.
Bendix: Für mich steht die Klitoris für Sinnlichkeit, es geht auf jeden Fall auch um Lust. Und dieses sinnliche Durchdringen der Ohnmacht. Ich glaube, wir haben alle ein Interesse daran, Theater so zu gestalten, dass es im Bauch landet und dass es um eine sinnliche und lustvolle Erfahrung geht. Und dass wir Spaß haben beim Machen. Und wir uns damit zwar viel mit Diskursen beschäftigen, aber dass es am Ende auf der Bühne keine reine Diskurs-Veranstaltung wird. Dass wir trotzdem die Klitoris dabei nicht vergessen. Und dass es nicht nur als eine Bedrohung oder etwas wahrgenommen wird, wo man den Kopf in den Sand stecken möchte.
Auf Eurer Website heißt es, dass Ihr transdisziplinäre Formate anstrebt und zwar „wertfrei, undogmatisch, ein Spielplatz klimatischer Erotik“ – was heißt das?
Carmen: Im Grunde waren die Thematiken Klimakrise und Feminismus als Themen schon da. Da haben wir mitgebracht, was uns interessiert. Also die Frage, wie wir ein sinnliches Durchdringen von dem Ohnmachtsgefühl, was viele in Bezug auf die Klimakrise haben, hinkriegen können. Indem wir nicht verdrängen, nicht weggucken. Sondern indem wir sagen: wir öffnen uns dem. Und setzen uns dem aus, in der Hoffnung, etwas zu finden, was wir dann produktiv umsetzen können. Aber eben auf eine sinnliche Art und Weise. Die feministische Perspektive bedeutet für uns alle was Unterschiedliches.
Bendix: ich habe das Gefühl, dass unsere Arbeit momentan sehr additiv funktioniert. Wir sind von was gestartet, alles was wir bislang gemacht haben, baut auf das auf, was schon da ist und verändert sich dann aber und kann sehr gut angepasst werden an die unterschiedlichen Gegebenheiten, die kommen. Durch Corona ist der Film entstanden, dadurch ist dann der Parkour entstanden und jetzt gibt es diese Voraussetzung, dass es nicht so viel Aufbauzeit gibt und dass alles auf einer Bühne stattfinden muss. Und jetzt ist die große Herausforderung, dass wir die Elemente, die im Parkour entstanden sind, plötzlich alle in einen Bühnenraum packen. Wir sind sehr gespannt, wie die Publikumssituation sich dadurch verändern wird. Jemand hat das Zusammenarbeiten mal als eine Art Pilz beschrieben, der immer weiter wächst und gedeiht. So stelle ich mir das vor.
Hier kommt Ihr zur Website von „Klima/Krise/Klitoris“.
Marie Baumgartner, 29
hat vor kurzem ihr Grundstudium in Regie an der HfS Ernst Busch beendet und durch Gastsemester in der Choreographie-Abteilung ergänzt. In Corona-Zeiten, im Zuge ihres Diploms entstand der Gedanke zu „Klima/Krise/Klitoris“. Der Versuch, mit anderen Theaterformen und expertisenübergreifend zu arbeiten, ist seitdem Hauptteil ihrer Beschäftigung.
Bendix Fesefeldt, 32
macht seit einigen Jahren nur Theater. Er arbeitet als Dramaturg fest an einem Haus. Ursprünglich hat er Politikwissenschaften mit Schwerpunkt auf Nahost-Wissenschaften studiert. Marie und er haben sich während des Regiestudiums kennengelernt und seitdem immer wieder zusammengearbeitet.
Carmen Dunoir, 32
macht gerade ihren Doktor in Agrarwissenschaften und arbeitet als Gärtnerin. Nebenbei arbeitet sie ehrenamtlich an einem Krankenhaus. Gemeinsam mit Marie entwarf sie das Konzept für „Klima/Krise/Klitoris“, das Theater und Klimakrise miteinander in Verbindung bringt.