Beruf mit Zukunft
Nicolai Gütter ist Stellvertretender Leiter der Tontechnik am Theater St. Gallen. Eine Ausbildung zum Tonmeister mit dem Schwerpunkt klassische Musik, später Filmmusik hat er an der Universität der Künste in Berlin absolviert. Seinen Arbeitsplatz mit den wichtigsten Tools zeigt er mir per Video: Ein riesiges Mischpult, die Schaltzentrale, mit gefühlt tausend Reglern und Knöpfen, das sich für die Zuschauer:innen kaum wahrnehmbar im hinteren Bereich des Theatersaals verbirgt, Mikrofone – und natürlich Lautsprecher. So viele, dass man damit vermutlich die halbe Schweiz beschallen könnte. „Das entscheidende Werkzeug für Sounddesigner:innen sind neben den Ohren und der Fantasie die Lautsprecher“, meint der Tonmeister. „Die Positionierung der Lautsprecher und die Art der Lautsprecher sind immens wichtig, je nachdem, ob das Sounddesign atmosphärisch klingen soll oder nicht.“
Nicolai selbst stammt aus einer Musiker:innenfamilie, spielt Geige, Bratsche und Klavier und hat als DJ gearbeitet. Für den Beruf hat er sich aus musikalischen Gründen entschieden: „Mich fasziniert es, Musik mit Technik zu verbinden und mit Klängen neue Erlebnisse zu erschaffen“, sagt er. Auch das assoziative Sounddesign, in dem man visuelle Vorgänge akustisch unterstützt, begeistert ihn. Vor allem im Film ist das ein wichtiges Mittel, um Emotionen beim Zuschauer wachzurufen. Im Theater müsse man allerdings schon aufpassen, dass man das Publikum mit bestimmten Geräuschen nicht zu sehr erschreckt, so Nicolai. Die Kunst ist es, den Klang zwar kraftvoll, aber nicht schmerzhaft für die Ohren zu gestalten. Dasselbe gilt auch für die Musik: „Wir möchten einen umhüllenden Klang, aber keinen, der wehtut. Bestimmte Frequenzbereiche müssen wir daher ein wenig bändigen“, erklärt er. Wichtig ist das auch deshalb, weil manche Menschen sehr empfindlich auf Geräusche reagieren und gerade kleine Kinder richtig Angst bekommen können. Nicolai selbst hat nichts dagegen, wenn der Sound laut ist: „Wenn’s mal scheppert, ist es auch cool“, meint er lachend.
Man könnte also fast sagen, dass Sounddesigner:innen im weiteren Sinne Musiker:innen sind, zumindest sollten sie ein gutes Verständnis für Musik und Klang mitbringen. Musiktheoretische Kenntnisse und das Beherrschen eines Instruments sind auf jeden Fall sinnvoll. „Gerade wenn man als Sounddesigner:in im Musiktheaterbereich arbeitet, sollte man keine Probleme damit haben, eine große Partitur lesen und sie auch richtig einrichten zu können. Wir arbeiten mit voll ausgebildeten Musiker:innen zusammen und müssen uns professionell mit ihnen verständigen können“, erklärt der Tonmeister. Das Klavier ist dabei das praktischste Instrument, um sich mit instrumentierter Musik zu befassen. Deswegen gibt es auch für nahezu jedes Orchesterwerk einen Klavierauszug.
Und wie sieht die Arbeit eines Sounddesigners am Theater genau aus? Das käme darauf an, welche Sparte gerade läuft. „Bei einer Oper zum Beispiel, steigt der Ton erst relativ spät ein, da dort bis auf ein oder zwei Einspieler im Grunde nichts verstärkt werden muss. Beim Musical sieht es ganz anders aus, da ist der Ton als erstes am Start“, sagt Nicolai. Bei manchen Produktionen müsse er sich schon einen Monat vorher vorbereiten, die Musik anhören, mit der Regie wichtige Fragen im Vorfeld klären und am Mischpult alles vorprogrammieren. „Ab dem Zeitpunkt, wo man von der Probebühne auf die Theaterbühne wechselt, muss das Grundgerüst schon stehen und das ist bei Musical sehr viel Arbeit mit regem Austausch und langen Tagen“, erklärt der Sounddesigner. Manchmal käme es auch vor, dass die Regie darum bittet, extra etwas zu entwickeln, zum Beispiel eine Mischung oder Abfolge von Sounds, etwa ein Pferdewiehern, gefolgt von einem Crash einer Kutsche und Klappergeräuschen. „Aufwendiger wird es auch bei Tanzstücken, wo die Musik natürlich eine große Rolle spielt und man eventuell Soundtracks mit präpariertem Klavier und Samples entwickelt. Da verbringt man viel Zeit damit, die Musik im Saal zu verteilen, Bewegung zu schaffen“. Das sei ein äußerst kreativer Prozess.
Nicolai ist sich sicher, dass Sounddesign am Theater Zukunft hat. „Durch die Entwicklung von mehrkanaligen Audiosystemen und Software wird der Ton auch in Theaterproduktionen immer aufwendiger, die Anforderungen steigen, so dass immer öfter Sound-Experten von außen geholt werden.“ Wer sich für den Beruf entscheidet, sollte auf jeden Fall Mut haben, sein eigenes Ding zu machen. Es gebe in diesem Bereich viele, die fast schon einen dogmatischen Ansatz haben, es müsse aber nicht alles nach strengen Regeln ablaufen. „Wichtig ist es, flexibel zu sein, den Leuten zu beweisen, dass deine Methode nachvollziehbar und sinnvoll ist, und mit Kritik konstruktiv umzugehen“, und, ergänzt er lachend, „read the manual“. Denn nichts sei peinlicher, als wenn man die technischen Geräte falsch bediene.
Ausführliche Informationen zu Voraussetzungen und Ausbildung gibt es hier.