Ein Plädoyer für den Welt(en)frieden
Putins skrupelloser Angriffskrieg gegen die Ukraine überschattet derzeit alles. Der furchtbaren und äußerst bedrohlichen Nachrichtenlage kann man nicht entkommen. Selbst die Fassade des Düsseldorfer Schauspielhauses erstrahlt nach Sonnenuntergang in den Nationalfarben der Ukraine, über die Infoscreens im Foyer flimmern Solidaritätsbekundungen, Spendenaufrufe und die blau-gelbe Nationalflagge. Mittlerweile droht Putin im Ukraine-Krieg auch noch mit dem Einsatz von Atomwaffen. Ein nuklearer Schlagabtausch könnte dabei nicht nur den Tod von Millionen Menschen in kürzester Zeit bedeuten, die Vernichtung der gesamten menschlichen Spezies stünde schlichtweg auf dem Spiel. Droht uns etwa das Ende aller Zeiten?
Zum Glück nicht, wenn man dem Arzt und Chefingenieur der Raumschiff-Crew, Beverly Nolte (Kilian Ponert), glauben mag. Kurz vor dem Ende dieses besonderen Science-Fiction-Theaterabends wendet er sich in einer direkten und emotionalen Ansprache an das Publikum und schürt Hoffnung. Uns kann nichts geschehen. 2022 geht die Welt nicht unter. Es wird alles gut. Wenn es einer wissen muss, dann er.
Mit „Rückkehr zu den Sternen (Weltraumoper)“ hat Autor und Regisseur Bonn Park gemeinsam mit dem Komponisten Ben Roessler für das Düsseldorfer Schauspielhaus ein musikalisches Weltraumabenteuer kreiert. Nach ihren Erfolgsproduktionen „Drei Milliarden Schwestern“ (Volksbühne Berlin) und „Gymnasium“ (Münchner Volkstheater) widmen sie sich nun dem gigantischen „Star Trek“-Universum. „Star Trek“ ist eine US-amerikanische Science-Fiction-Serie, die erstmals in den 1960er-Jahren unter dem Titel „Raumschiff Enterprise“ im deutschen Fernsehen zu sehen war und sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem weltweiten popkulturellen Phänomen entwickelt hat. Auf der Bühne ist nun aber eine ganz eigene Erzählwelt zu sehen, reich an Bildern und Figuren, die mit der Kunstform Oper einen ultimativen Verbündeten gefunden hat: Wie immer geht es zwar um Leben und Tod, doch am Ende vertragen sich hier alle.
Doch erstmal zurück zum Anfang: Die mehrköpfige Crew unter der Leitung ihres Captains Jean Luc Yešilyurt (Serkan Kaya) ist auf Friedensmission im Weltall unterwegs. Eine geheimnisvolle Macht übernimmt schließlich das Kommando des Raumschiffs und bringt sie zu einem fernen Eisplaneten. Das Team teleportiert sich auf die Planetenoberfläche und steht plötzlich mit gezückten Waffen einer scheinbar fremden Spezies gegenüber. Als es plötzlich um das Leben eines Crewmitglieds geht, droht eine kriegerische Eskalation. Doch die Figuren gehen einen anderen Weg. Denn in der fernen Zukunft werden intergalaktische Konflikte anders ausgetragen als irdische heute.
Die Inszenierung steht inhaltlich, ästhetisch, musikalisch wie auch dramaturgisch ganz im Zeichen der „Star Trek“-Saga. Park, der den Seriencharakter übernimmt, wirft das Publikum ohne einen einführenden Plot mitten in die Geschichte hinein und erzählt eine abgeschlossene Handlung, auf die problemlos auch noch weitere Abenteuer folgen könnten. Die beiden Bühnenbilderinnen Julia Nussbaumer und Jana Wassong haben sich dafür an dem Retro-Futurismus der 1960er-Jahre orientiert und neben einer detailverliebten und fantasievollen Raumschiff-Kommandozentrale auch eine primär zweidimensionale Eiswelt auf die Drehbühne des Düsseldorfer Schauspielhauses gebaut. Auch die Kostüme von Leonie Falke reihen sich in diese Optik ein. Gemeinsam mit einem Orchester, bestehend aus Studierenden der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf, treiben die Schauspieler:innen Handlung und Dialoge durch Musik und Gesang, ganz im Stile der Oper, voran. Allein aus musikalischer Sicht ist dieser Abend eine Wucht. Aber auch spielerisch: Mit großer Feinfühligkeit haucht das Ensemble den einzelnen Figuren Leben ein. Als Kenner des „Star Trek“-Universums hat man zwar hier und da das Gefühl in ihnen die Originalcharaktere der Serie wiederzuentdecken, und doch sind diese Figuren in ihrer Einzigartigkeit unverwechselbar.
Auf Spezialeffekte, wie man sie aus Science-Fiction-Serien kennt, wird hier ebenfalls nicht verzichtet. Für das Teleportieren von der Brücke hüllen sich die Spieler:innen beispielsweise kurz in goldglänzende Pailletten-Tücher, huschen von der Bühne und stehen dann in der Eislandschaft des Planeten Zahara. Und gerade weil sie sich der Mittel, die das Theater zu bieten hat, voll und ganz bedienen, wirkt dieser Abend über die Fernsehserie hinaus wahnsinnig bereichernd und ist weit mehr als ein einfacher Abklatsch. Auch aus inhaltlicher Sicht. Die Anklänge an den Ukraine-Krieg sind nicht zu überhören.
Folgt man Bonn Parks Narration, wird uns Menschen im fernen 23. Jahrhundert eine friedliche Koexistenz mit außerirdischen Lebensformen bevorstehen. Dann wird eine diplomatische, respektvolle und besonnene Gesprächskultur das Maß aller Dinge sein. Man wird voller Neugierde auf andere Kulturen blicken, egal wie merkwürdig man deren Traditionen und Wertesysteme auch finden mag. Getreu dem Motto: Leben und leben lassen. Bis wir dort angelangt sind, ist es allerdings noch ein weiter Weg. Wir schreiben das Jahr 2022 und Putin gibt der Welt zu verstehen, dass der russische Staat nicht neben einer modernen Ukraine existieren kann. Putin zieht nicht nur in den Krieg mit einem anderen Nationalstaat. Nein, er kämpft gegen die Demokratie an sich. Bleibt zu hoffen, dass er zu jener menschlichen Charaktereigenschaft zurückfindet, die Park in seiner Weltraumoper als uralte menschliche Konditionierung versteht: Besonnenheit.
Zum Porträt von Bonn Park in Ausgabe Nr. 15 der jungen bühne geht es hier.