Vor einem Jahr sprach Redakteurin Sophie für die Print-Ausgabe der Jungen Bühne mit drei Theaterschaffenden darüber, wie sie durch die Pandemie kamen. Improschauspieler Jakob Zietsch aus München experimentierte damals mit Online-Formaten, die Berliner Regisseurin Anna Berndt suchte nach Möglichkeiten, sich neu zu orientieren. Und Schaubühnen-Schauspieler Laurenz Laufenberg sehnte sich danach, wieder auftreten zu dürfen. Mittlerweile sind die Aussichten wieder erfreulicher, wir dürfen wieder mehr, auch langsam wieder ins Theater. Höchste Zeit also für ein Update: Was hat sich bei den dreien inzwischen getan?
Bei Laurenz Laufenberg begannen bei unserem letzten Gespräch im Juni 2020 gerade die Online-Proben für die neue Inszenierung von „Michael Kohlhaas“ unter der Regie von Simon McBurney. Ursprünglich war die Premiere für Dezember 2020 angesetzt. Tatsächlich war sie dann am 1. Juli 21 (Lest die Kritik hier). Die Proben fanden zunächst über Zoom statt. „Wir haben ohne vorgefertigte Textfassung gearbeitet“, erinnert sich Laurenz. So konnte das Ensemble viel rumprobieren, und erarbeitete über Zoom gemeinsam Szenen. „In der Vorstellung haben wir jetzt auch noch Elemente aus dieser Zoom-Zeit“, erzählt er. So steckt im Endprodukt das Herz von allen, die daran beteiligt waren. Ich würde mir sehr, sehr wünschen, dass wir uns in der nächsten Spielzeit wieder auf der Bühne begegnen dürfen, sagte Laurenz bei unserem Gespräch vor einem Jahr. Jetzt geht das wieder. Allerdings nicht uneingeschränkt. „Da gab es viel hin und her. Von Woche zu Woche war es anders“, erzählt er. Das Ensemble versuchte es zum Beispiel zwischenzeitlich mit transparenten Face Shields, damit die Mimik nicht verloren geht. Die wurden aber bald als zu unsicher empfunden. Auch was auf der Bühne erlaubt ist, war streng reguliert. „Am Anfang durften wir uns gar nicht berühren, irgendwann durften wir uns berühren, aber nicht umarmen, nicht küssen, und nicht kämpfen“, schildert er die wechselnden Regelungen.
Während das Ensemble mit diesen Einschränkungen auf der Bühne probte, war der Regisseur, der mittlerweile zurück nach England gereist war, per Videocall auf großen Bildschirmen vor der Bühne zu sehen. „Das hat erstaunlich gut funktioniert“, freut sich Laurenz. So gut fühlte es sich aber nicht immer an: Im Frühjahr, als die Premiere immer wieder verschoben werden musste, zoomte das Ensemble regelmäßig weiter, um drinzubleiben. „Das war schon ermüdend“, gibt er zu.
Auch Jakob fühlte die Onlinemüdigkeit ganz deutlich. Ein Drittel seiner Impro-Gruppe hat beschlossen zu pausieren, weil es im Alltag einfach zu viel online war. Bei den Livestream-Auftritten lief auch nicht alles glatt. Stimmung auf Distanz zu erzeugen sei einfach schwierig, meint Jakob. Ihre Auftritte hat die Gruppe seit Anfang des Jahres reduziert, auch weil das Publikum spürbar keine Lust mehr auf online hatte. Aufgegeben hat Jakob aber nicht. Stattdessen entwickelte er mit der Gruppe neue Formate, die mehr auf visuelle Effekte setzen. „Wir haben jetzt externe Webcams, die man abnehmen und so die Perspektive wechseln kann“, berichtet er etwa. Das sei am Anfang alles neu und überfordernd gewesen, aber es habe sich gelohnt. Dem Publikum sind die Effekte direkt positiv aufgefallen. Bei einer Szene in einem Gebüsch hat der Spieler etwa die Kamera verdeckt und dann die Hände langsam auseinander gemacht. „Für das Publikum sah das so aus, als sei die Kamera in dem Busch und der Charakter würde da reingreifen“, erzählt er begeistert. „Diese Möglichkeiten gibt’s im Live-Theater nicht“.
Dennoch freut sich die Gruppe, im Sommer draußen auftreten zu dürfen. Im letzten Jahr hatten sie bereits zwei Open-Air-Auftritte im Englischen Garten in München. Ähnlich wie bei Laurenz hatte aber auch das seine Einschränkungen: „Auf Abstand spielen ist schon ganz was anderes“, meint Jakob und erzählt von einem Foto, auf dem sich die Gruppe verbeugt, sich aber nicht an der Hand nehmen darf. Oft wurde in der Hochzeit der Krise optimistisch prognostiziert, dass die Online-Formate auch das Live-Theater bereichern werden. Bei Jakob und seiner Gruppe ist das tatsächlich eingetreten. „Wir sind jetzt sehr viel offener was neue Formate angeht“, berichtet er. So hat er etwa die Idee für ein hybrides Format, bei dem das Publikum auf zwei Räume aufgeteilt wird, per Live-Schalte miteinander in Kontakt steht und dann gegeneinander in einem Spiel antreten soll. Seit Juni dürfen sie nun auch wieder drin proben. Aber: „Viele fühlen sich drin nicht sicher“. Deshalb wird erstmal online weitergeprobt. Er freut sich sehr auf die kommenden Open-Air Auftritte. Und gemäß dem Motto ‚Impro ist eine Lebenseinstellung‘ sagt er: „Wenn‘s irgendwie anders kommt dann passen wir uns an.“
Den drastischsten Weg aus der Krise hat Regisseurin Anna Berndt eingeschlagen. Sie hat dem Theater vorerst den Rücken gekehrt und im Oktober letzten Jahres eine Ausbildung zur Pflegefachfrau begonnen. „Ich hatte keine Lust auf Leerlauf“, erzählt sie. Darauf, mit der Frage zu leben, wann sie wieder arbeiten kann. Oder darauf, von Staatsgeldern abhängig zu sein. Während der Hochphase des Pflegekräftemangels schrieb sie Krankenhäuser an, ob sie sie unterstützen kann. Ohne medizinische Ausbildung ging das nicht. Deshalb dachte sie sich: „Warum nicht da anknüpfen, wo ich damals aufgehört habe?“ Denn nach der Schule wollte sie ursprünglich Medizin studieren. Sie bewarb sich also für die Pflegeausbildung. Die Entscheidung hat sie sich nicht leicht gemacht.
Zuerst war sie traurig und dachte, eigentlich habe ich mir den weiteren Verlauf meiner Regiekarriere anders vorgestellt. Dann kam die Zusage von der Pflegeschule und alles ging ganz schnell. Aktuell ist sie im ersten Lehrjahr und arbeitet auf der Station für innere Medizin. „Für mich fühlt es sich sehr richtig an“, sagt sie. Und das, obwohl die Nachteile auf den ersten Blick überwiegen. Sie verdient jetzt deutlich weniger als am Theater und der Personalmangel ist im Berufsalltag ebenfalls deutlich zu spüren. „Da muss sich was ändern“, ist sie überzeugt. Die Gehälter seien im Grunde ein Witz, wenn man bedenke wie stark der Beruf Körper und Psyche strapaziert. Dennoch überwiegen für sie die Vorteile. Sie gehe richtig darin auf, konkrete, direkte Hilfe zu leisten, erzählt sie. Wegen Corona konnten oft nicht einmal die Angehörigen die Patientinnen und Patienten besuchen. „Das war schrecklich mit anzusehen.“ Gerade deswegen ist es Anna wichtig, ihnen zur Seite zu stehen, Nähe zu geben und zuzuhören. Sie hat sich zu 100 Prozent auf ihre Ausbildung fokussiert und sagt: „Ich will eine richtig gute Krankenschwester sein“. Und wenn sie irgendwann doch zurück ans Theater will? „Für eine spannende Produktion würde ich die Ausbildung pausieren“, sagt sie. Allerdings haben sich ihre Prioritäten verschoben. „Nicht dass ich Theater nicht wichtig finden würde, aber ich persönlich empfinde den Pflegeberuf aktuell als wichtiger“, meint sie. Als im vergangenen Mai ihre Inszenierung „Am Boden“ Gastspiel in Liechtenstein hatte, konnte sie nicht mitreisen. Sie musste arbeiten. „Ich hätte mir auch nicht vorstellen können, wegzubleiben und meine Kolleginnen und Kollegen damit in die Bredouille zu bringen“, erzählt sie. Natürlich war sie trotzdem sehr interessiert daran, wie es gelaufen ist und stand in engem Austausch mit ihrer Regieassistentin. Nach ihrer Ausbildung will sie erstmal eine Weile am Krankenhaus arbeiten. Wie ihre Zukunftsplanung in zwei Jahren aussieht? Schwer zu sagen.